Zwischentöne zum Krieg, zugleich ein Appell für mehr Gelassenheit

Eigentlich unglaublich: Im Frühjahr 2022 herrscht wieder Krieg in Europa. Nicht zum ersten Mal seit 1945, trotzdem machen die Bilder aus der Ukraine fassungslos. Der russische Angriffskrieg ist als massive Verletzung des Völkerrechts nicht akzeptabel. Jeder Krieg ist aber stets auch eine Niederlage der Diplomatie. Möglicherweise hätte die russische Intervention – etwa durch eine ehrliche Initiative des Westens – verhindert werden können. In der innenpolitischen Auseinandersetzung über diesen Krieg irritieren jedoch noch weitere Aspekte.

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Umdenken, SPD! Zur Lage der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert

Die Beteiligung bei den diesjährigen Wahlen zum Europäischen Parlament ist erfreulicherweise gestiegen. Das ist aber schon die einzig positive Nachricht. Vielmehr sind die Ergebnisse selbst insbesondere aus Sicht der SPD eine Katastrophe: Nur noch 15,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben der Sozialdemokratie ihre Stimme, das entspricht einer stattlichen Differenz von 11,4 Prozentpunkten (!) zur letzten Wahl im Jahr 2014. Mit nunmehr noch 16 Sitzen (-11) im neuen EU-Parlament landet die SPD folglich auf dem dritten Platz – hinter den Abgeordneten der CDU (23|-6 Sitze) und denen der Grünen (21|+10 Sitze). Wie konnte es soweit kommen?

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Die Mutter aller Niederlagen. Eine weitere Analyse zur bayerischen Landtagswahl

Bei der bayerischen Landtagswahl erlebten die beiden (ehemaligen) Volksparteien ein Fiasko: Die CSU fuhr ein Minus von 10,5 Prozent ein, die SPD verlor sogar 10,9 Prozent im Vergleich zur letzten Wahl. Das Wort Analyse war folglich der wohl am häufigsten gebrauchte Begriff am gestrigen Abend: Die CSU will die Gründe für ihre historische Wahlniederlage analysieren, die SPD benötigt nicht nur in Bayern dringend eine tiefgehende Analyse ihrer strukturellen Schwäche. Auch die bayerische AfD hat letztlich nicht so stark abgeschnitten wie erwartet, hatte dafür aber sogleich selbst eine Analyse parat: Der Hauptgrund sei die konservative Konkurrenz in Form der Freien Wähler, die der AfD Stimmen gekostet hätte. Schön, wenn es so einfach wäre! Vielfach wurde der Ausgang der gestrigen Landtagswahl daher als politisches Erdbeben bezeichnet. Im Folgenden möchte ich das Ergebnis einmal selbst einordnen.

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It’s still the Social Issues, Stupid – Über soziale Ungerechtigkeit in Deutschland

Nachdem sich die Aufregung um die US-Präsidentschaftswahl zumindest in Europa langsam legt – in den USA ist angesichts der jüngsten Entscheidungen Donald Trumps von einer sich vertiefenden Spaltung der Gesellschaft auszugehen – erwachen auch die ersten Kommentatoren aus der Schockstarre. Deren gängige Analyse besteht darin, dass insbesondere Liberale und Linke für den rasanten Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen verantwortlich sind, der mit der Inauguration des US-Präsidenten seinen wohl vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Die politische Elite habe sich einfach zu sehr von der Bevölkerung entfernt. Hans Monath schreibt etwa im tagesspiegel einmal mehr unter Bezug auf den rechtskonservativen Kampfbegriff der political correctness, dass Liberale der amerikanischen Gesellschaft mit der Wahl von Barack Obama zum ersten schwarzen US-Präsidenten zu viel zugemutet haben, denn diese habe nur die Ressentiments und die Wut der abgehängten weißen Unterschicht gestärkt.

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Erbschaftssteuer: der wachsenden Ungleichheit entgegenwirken

Eigentlich haben die Verfassungsväter die politische Richtung schon vorgegeben. In Artikel 123 (3) der Verfassung des Freistaats Bayern heißt es: „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.“ Überzeugende Argumente für eine Erbschaftssteuer liefert sogar einer der bedeutendsten Vordenker des Liberalismus, John Stuart Mills: „Gerade die Anerkennung des Leistungsprinzips muss zu einer Beschränkung des Vermögens beitragen. Und nicht zuletzt gefährdet die Reichtumskonzentration die Freiheit einer Gesellschaft, wenn immer weniger ihrer Mitglieder infolge von Erbschaften über immer größere Vermögen verfügen.“1MILL, John Stuart (1857): Grundsätze der politischen Ökonomie. in: DIEHL, Karl; MOMBERT, Paul (Hrsg.): Grundsätze der Besteuerung. Ausgewählte Lesestücke zum Studium der politischen Ökonomie, Frankfurt am Main, 1982, S. 84 ff.

Dennoch wurde die Besteuerung größerer Vermögen in den letzten Jahren immer weiter zurückgefahren. Eine Vermögenssteuer wird seit 1995 gar nicht mehr erhoben, die Tarife der Einkommenssteuer wurden seit 2000 durchgängig gesenkt, Kapitaleinkünfte pauschal mit 25 Prozent versteuert. Dagegen beträgt der Spitzensteuersatz für Arbeitseinkommen 45 Prozent. Deshalb befand das Bundesverfassungsgericht Ende 2015 die Privilegierung von vererbtem und geschenktem Vermögen gegenüber erarbeitetem Einkommen für verfassungswidrig. Karlsruhe trug dem Gesetzgeber auf, schnellstmöglich eine Neuregelung zu finden.

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Wie es aktuell bei CETA steht und was das für TTIP bedeutet

Die Zweifel sind groß: Die möglichen Auswirkungen der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft mit den USA (TTIP) werden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. In einer Studie sieht beispielsweise das Centre for Economic Policy Research in dem bilateralen Freihandelsabkommen ein Wachstumspotential für die europäische Wirtschaft in Höhe von rund 119 Milliarden Euro. Die US-Wirtschaft wiederum würde bei einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen von einem möglichen Wachstum in Höhe von etwa 95 Milliarden Euro profitieren1FRANCOIS, Joseph (2013): Reducing Transatlantic Barriers to Trade and Investment. An Economic Assessment. Centre for Economic Policy Research, London.. Dieser positiven Bewertung stehen jedoch Schätzungen gegenüber, die das Wachstum des BIP im Promillebereich, auf statistisch irrelevante 0,06 Prozent, beziffern2WALLACH, Lori (2013): TAFTA/TTIP – die große Unterwerfung, Le Monde diplomatique vom 08. November 2013, Berlin..

Zudem wird der seit 2013 laufende TTIP-Verhandlungsprozess vielfach als intransparent und undemokratisch kritisiert. Die Verhandlungsdokumente etwa wurden als streng geheim eingestuft, Bundestagsabgeordnete dürfen diese erst seit Ende Januar 2016 einsehen. TTIP soll hier jedoch gar nicht weiter thematisiert werden, denn in seinem Schatten drängt sich ein weiteres Freihandelsabkommen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit: das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement), kurz CETA.

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Wohin des Weges, SPD?

Ich finde es doch einigermaßen bemerkenswert, wie in Deutschland Stimmung gegen eine linke, alternative Politik gemacht wird. Anfang Dezember 2014 wagten sich wieder einige Stimmen aus der Deckung, die den Untergang der Bundesrepublik anlässlich der Vereidigung des Linkspolitikers Bodo Ramelow zum thüringischen Ministerpräsident beschrien. Dabei ist es weniger überraschend, dass diese polemische Stimmungsmache zuvorderst von den beiden Unionsparteien unterstützt wird, man denke da etwa an die sogenannte Rote-Socken-Kampagne der CDU im Vorfeld der Bundestagswahl 1994 oder auch an den unnachgiebigen Umgang mit der neuen Syriza-Regierung in Griechenland. Das alles verwundert nicht, sammeln sich doch in konservativen Parteien die gesellschaftlichen Kräfte, die Altes bewahren wollen und den Fortschritt ablehnen.

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