Mein Austritt aus der SPD

Seit November 2009 war ich Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Die SPD war nach meiner Wahrnehmung eine „linke Volkspartei“, die sich solidarisch den Interessen der Arbeiter und Arbeitnehmer, Minderheiten und den sozial schwachen Teilen der Bevölkerung verschrieben hat. In meinen Augen verfolgte sie überdies eine pragmatische, bisweilen auch kritische Außen- und Sicherheitspolitik, die im Sinne der Entspannungspolitik Willy Brandts einen Ausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen von Ost und West suchte. Mit diesen Positionen wähnte ich mich in Übereinstimmung mit dem heute noch gültigen Grundsatzprogramm, dem „Hamburger Programm“ aus dem Jahre 2007.

Doch nach nahezu fünfzehn Jahren muss ich bedauerlicherweise feststellen, dass die SPD diese Erwartungen nicht erfüllt. Nach reiflicher Überlegung und intensiver Auseinandersetzung mit den politischen Entwicklungen der letzten Zeit möchte ich deshalb zum heutigen Tage meinen Austritt erklären. Im Folgenden möchte ich etwas ausführlicher darlegen, welche Gründe mich zu diesem Schritt bewogen haben.

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Zwischentöne zum Krieg, zugleich ein Appell für mehr Gelassenheit

Eigentlich unglaublich: Im Frühjahr 2022 herrscht wieder Krieg in Europa. Nicht zum ersten Mal seit 1945, trotzdem machen die Bilder aus der Ukraine fassungslos. Der russische Angriffskrieg ist als massive Verletzung des Völkerrechts nicht akzeptabel. Jeder Krieg ist aber stets auch eine Niederlage der Diplomatie. Möglicherweise hätte die russische Intervention – etwa durch eine ehrliche Initiative des Westens – verhindert werden können. In der innenpolitischen Auseinandersetzung über diesen Krieg irritieren jedoch noch weitere Aspekte.

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Versuch über einen neuen, differenzierten Umgang mit der AfD

Seit der Bundestagswahl 2017 beansprucht mit der AfD erstmals eine in Teilen rechtsextreme Partei die Oppositionsführerschaft in einem bundesdeutschen Parlament. Der Umgang mit der AfD gestaltet sich jedoch schwierig. Zumindest in den sozialmedialen Echokammern ersetzen vielfach populistische Schlagworte und pauschale Verunglimpfungen das sachliche Argument: Im Zweifel wird der AfD eine Nähe zum Nationalsozialismus unterstellt. Ob völlige Unkenntnis oder bewusste Bequemlichkeit, im Folgenden soll die These entwickelt werden, dass der liberalen Demokratie mit diesem Aktionismus ein Bärendienst erwiesen und in der Konsequenz sogar der Agenda der AfD Vorschub geleistet wird. Hierzu ist es allerdings unumgänglich, sich zunächst mit den geistigen Fundamenten der Neuen Rechten, in deren Umfeld sich die AfD zumindest in Teilen verortet, zu befassen. Wer dies ablehnt, weil er die Vertreter*innen der Neuen Rechten für gefährlich und faschistoid hält, mag sich angewidert abwenden. Im Grunde genommen weiß er jedoch nichts und wer nichts weiß, wird auch keine konstruktive Gegenstrategie entwickeln können.

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Umdenken, SPD! Zur Lage der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert

Die Beteiligung bei den diesjährigen Wahlen zum Europäischen Parlament ist erfreulicherweise gestiegen. Das ist aber schon die einzig positive Nachricht. Vielmehr sind die Ergebnisse selbst insbesondere aus Sicht der SPD eine Katastrophe: Nur noch 15,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben der Sozialdemokratie ihre Stimme, das entspricht einer stattlichen Differenz von 11,4 Prozentpunkten (!) zur letzten Wahl im Jahr 2014. Mit nunmehr noch 16 Sitzen (-11) im neuen EU-Parlament landet die SPD folglich auf dem dritten Platz – hinter den Abgeordneten der CDU (23|-6 Sitze) und denen der Grünen (21|+10 Sitze). Wie konnte es soweit kommen?

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Warum ein CDU-Vorsitzender Friedrich Merz der Demokratie gutgetan hätte

Von vielen wurde er sehnsüchtig erwartet, der CDU-Parteitag in Hamburg, auf dem sich die Partei einen neuen Bundesvorstand geben wollte. Das mediale Interesse erhöhte sich schließlich signifikant, als der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz seine Kandidatur verkündete – was ich übrigens schon Mitte Oktober kurz nach der bayerischen Landtagswahl prognostiziert hatte. Da deutete sich eine richtig gute Geschichte an – das Magazin Der Spiegel sprach gar von Rache und Genugtuung –, denn Merz war in den Jahren 2000 bis 2002 schon einmal Vorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion, musste diese Position aber auf Druck von Angela Merkel aufgeben. Was wäre das für ein Comeback gewesen! Schließlich unterlag Merz aber im zweiten Wahlgang seiner Mitbewerberin Annegret Kramp-Karrenbauer. Warum wäre aus meiner Sicht Friedrich Merz doch die bessere Wahl gewesen?

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Die Mutter aller Niederlagen. Eine weitere Analyse zur bayerischen Landtagswahl

Bei der bayerischen Landtagswahl erlebten die beiden (ehemaligen) Volksparteien ein Fiasko: Die CSU fuhr ein Minus von 10,5 Prozent ein, die SPD verlor sogar 10,9 Prozent im Vergleich zur letzten Wahl. Das Wort Analyse war folglich der wohl am häufigsten gebrauchte Begriff am gestrigen Abend: Die CSU will die Gründe für ihre historische Wahlniederlage analysieren, die SPD benötigt nicht nur in Bayern dringend eine tiefgehende Analyse ihrer strukturellen Schwäche. Auch die bayerische AfD hat letztlich nicht so stark abgeschnitten wie erwartet, hatte dafür aber sogleich selbst eine Analyse parat: Der Hauptgrund sei die konservative Konkurrenz in Form der Freien Wähler, die der AfD Stimmen gekostet hätte. Schön, wenn es so einfach wäre! Vielfach wurde der Ausgang der gestrigen Landtagswahl daher als politisches Erdbeben bezeichnet. Im Folgenden möchte ich das Ergebnis einmal selbst einordnen.

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Die Krise des Konservatismus oder: Gibt es einen linken Mainstream?

Im Internet ist der Vorwurf allgegenwärtig: Gesellschaft und Politik werden von einem linken Mainstream beherrscht. Dieser – der Begriff entstammt ursprünglich aus einem popkulturellen Kontext und beschreibt als solcher den Massengeschmack einer Mehrheit im Gegensatz zum ästhetischen Underground – beruhe auf einem heuchlerischen Moralismus, dem „geistige Erbe von 150 Jahren Kommunismus mit all seinen sozialistischen Kaderschmieden“. So zumindest die gängige Interpretation. Aus dieser rechtspopulistischen Perspektive scheinen plötzlich auch die konservativen Unionsparteien einen linken Mainstream abzubilden. Vielmehr seien relevante Entscheider in Politik und Medien links-grün versifft – das Wort Siff steht übrigens etymologisch in einem engen Zusammenhang mit der Krankheit Syphilis – also durchtränkt mit der politischen Ideologie von Linken und Grünen, deren Vorstellungen die deutsche Mehrheitsgesellschaft unbemerkt unterwandert hätten. Doch ist die deutsche Politik wirklich so links wie behauptet?

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Wollt ihr den totalen Markt? – Eine Kritik des Neoliberalismus

Wir schreiben das Jahr 2018. Im letzten Jahr hat Deutschland gewählt: Zum ersten Mal seit Ende der 1950er Jahre sitzt im Deutschen Bundestag mit der AfD eine Fraktion, deren intellektuelle Vordenker liberaldemokratische Werte durchweg ablehnen. Die politischen Mitbewerber um die Gunst der Wähler*innen sind seitdem auf der Suche nach einem Konzept, um einen nachhaltigen Erfolg der AfD zu verhindern, der insbesondere aus der Unzufriedenheit großer Bevölkerungsteile mit der etablierten Politik resultiert. Allem voran beschwört die SPD (aber auch die CDU) einen personellen und inhaltlichen Neuanfang, eine parteipolitische Rundumerneuerung. Unter den Twitter-Hashtags #SPDerneuern, #PlattformPRO und #Sozialstart sammelt sich derzeit eine Bewegung, die einen progressiven Aufbruch der SPD fordert. Dazu ist insbesondere eine systematische Aufarbeitung der neoliberalen Reformpolitik der letzten Jahrzehnte geboten. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist diesbezüglich aber durchaus Anlass für Skepsis. Worum geht es mir im Einzelnen?

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Warum das Grundgesetz die deutsche Verfassung ist – in zwei Sätzen erklärt

AfD, FPÖ, der Front National, die Identitäre Bewegung, die Sezession, die Blaue Narzisse, die Junge Freiheit, das compact-Magazin und das Institut für Staatspolitik – so vielfältig die Neue Rechte auch ist, eins haben sie alle gemein: Metapolitik, also Politik im Sinne eines „Kulturkampfes“ oder einer „Kulturrevolution von rechts“ zählt zu ihren grundlegenden Strategien.1WEISS, Volker (2017): Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart, Klett-Cotta. Gemäß Charles Champetier und Alain de Benoit, dem französischen Vordenker der Neuen Rechten, entwickle sich Geschichte generell „zwar aus dem Willen und dem Handeln der Menschen, doch dieser Wille und dieses Handeln äußern sich immer im Rahmen einer bestimmten Zahl von Einstellungen, Glaubensüberzeugungen und Vorstellungen, die ihnen einen Sinn geben und lenken.“2DE BENOIT, Alain; CHAMPETIER, Charles: Manifest. Die Nouvelle Droite des Jahres 2000. In DE BENOIT, Alain (1999): Aufstand der Kulturen. Berlin, Junge Freiheit. Mithin sehen sich Vertreter der Neuen Rechten in einem Kampf um kulturelle Vorherrschaft, um eben diese Rahmenbedingungen.

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It’s still the Social Issues, Stupid – Über soziale Ungerechtigkeit in Deutschland

Nachdem sich die Aufregung um die US-Präsidentschaftswahl zumindest in Europa langsam legt – in den USA ist angesichts der jüngsten Entscheidungen Donald Trumps von einer sich vertiefenden Spaltung der Gesellschaft auszugehen – erwachen auch die ersten Kommentatoren aus der Schockstarre. Deren gängige Analyse besteht darin, dass insbesondere Liberale und Linke für den rasanten Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen verantwortlich sind, der mit der Inauguration des US-Präsidenten seinen wohl vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Die politische Elite habe sich einfach zu sehr von der Bevölkerung entfernt. Hans Monath schreibt etwa im tagesspiegel einmal mehr unter Bezug auf den rechtskonservativen Kampfbegriff der political correctness, dass Liberale der amerikanischen Gesellschaft mit der Wahl von Barack Obama zum ersten schwarzen US-Präsidenten zu viel zugemutet haben, denn diese habe nur die Ressentiments und die Wut der abgehängten weißen Unterschicht gestärkt.

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