Hell or High Water – Little Brother, go get that Money!

Der Westen Texas‘: Hier mischt sich der Sand der Prärie mit sengenden Sonnenstrahlen und trockener Hitze. Männer haben noch Schnurrbärte und tragen Cowboyhüte. Bewaffnet ist hier ohnehin jeder, gilt Selbstjustiz doch als eine Art Kavaliersdelikt. Die von staubigen Highways zerteilte, karge Landschaft wechselt sich ab mit heruntergekommenen Siedlungen, deren Bewohner*innen schon vor langer Zeit verschwunden sind. Einige der verfallenen Häuser werden zwangsversteigert. Auf den Grundstücken rosten Autowracks vor sich hin – die Kamera fährt vorbei an verfallenen Wellblechhütten, die eher an einen Schrottplatz erinnern. Neben stillstehenden Ölfördertürmen versprechen riesige Werbetafeln billiges Geld: „In Debt? Easy Credit At Statewide Texas“. Doch etwas fehlt gänzlich: Die Stars-and-Stripes, die Flagge der Vereinigten Staaten, sind in keiner Einstellung zu sehen. Der amerikanische Traum hat es nicht hierhergeschafft und wird sich wahrscheinlich auch nie in diese Gegend verirren. An einer Wand steht geschrieben: „Three tours in Iraq but no bailout for people like us.“

Verzweifelte Outlaws…

Hell or High Water Filmplakat
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In diesem trostlosen Szenario nach der Finanzkrise von 2008 spielt der Neo-Western Hell or High Water von Regisseur David Mackenzie und Drehbuchautor Taylor Sheridan. Doch nicht jeder gibt sich mit Isolation und Resignation ab: Toby (Chris Pine), geschieden und Vater von zwei Kindern, und sein frisch aus dem Gefängnis entlassener Bruder Tanner (Ben Foster) versuchen verzweifelt, die heruntergekommene Farm zu retten, die sie vor kurzem von ihrer überschuldeten Mutter geerbt haben. Doch die Bank will die Ranch zwangsversteigern. Der Grund: Unter dem Land liegt Öl. Also fassen die Brüder den Plan, mehrere Bankfilialen zu überfallen, um die Beute anschließend in einem Casino im benachbarten Oklahoma zu waschen. Mit dem Geld möchten sie die Bank auszahlen und damit sich und ihre Familie freikaufen, come hell or high water.

Den beiden Brüdern geht es bei ihren Raubüberfällen, bei denen sie jeweils lediglich ein paar tausend Dollar erbeuten, nicht darum, ungeheuren Reichtum anzuhäufen. Tanner Howard kommt gerade aus dem Knast, wird von seinem jüngeren Bruder Toby jedoch zu einem neuen Coup überredet. Anders als sonst soll dieses Mal die Gerechtigkeit auf ihrer Seite stehen. Insbesondere Toby möchte seinen Söhnen etwas hinterlassen, einen Ausweg aus der Aussichtslosigkeit bieten. Sein Tatmotiv ist das klassische kapitalistische Aufstiegsversprechen: Meine Kinder sollen es einmal besser haben als ich. Doch dieses Versprechen gilt längst nicht mehr. Armut ist vielerorts ein Schicksal: Die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich in den USA zählen zu den größten weltweit. Pech hat derjenige, der an Orten aufwächst, in denen die soziale Mobilität von unten nach oben gering ist.

…und alternde Gesetzeshüter

Der Gegenspieler von Toby ist der sarkastische Texas Ranger Marcus Hamilton (Jeff Bridges), ein Sheriff der alten Schule. Er steht kurz vor dem Ruhestand, als er den Fall übernimmt. Und es soll sein letzter Fall werden. Im Gegensatz zu seinen jüngeren Kollegen, die ihre Ermittlungsmethoden unter Effizienzgesichtspunkten rationalisiert haben, postiert sich Hamilton vor dem vermutlich nächsten Tatort und wartet einfach ab. Er ist ein latent rassistisches Fossil mit dem richtigen Riecher für Täter und deren Strategien. Zusammen mit seinem Partner Alberto Parker (Gil Birmingham), selbst mexikanisch-indigener Herkunft, bildet er das alternde Ermittlerteam, das dem räuberischen Geschwisterpaar dicht auf den Fersen ist.

Marcus: „These boys know what they’re doing. They’re trying to raise a certain amount. That’s my guess.“

Gesetzesvertreter, Native American und Outlaws, Hell or High Water verstrickt die Figuren des klassischen Westerns in eine hochspannende Geschichte. Die Parallelen zu No Country For Old Men von Ethan und Joel Coen sind offensichtlich: Hier wie dort verfolgt ein müder alter Gesetzeshüter Verbrecher, die nur aus der Not heraus gesetzlos geworden sind, nämlich um für die Ihren eine glücklichere Zukunft zu erkämpfen. Hier wie dort entsteht im Laufe der Handlung ein düsteres Gesellschaftsportrait. Hier wie dort fordert das gesamte Unterfangen einen hohen Preis, der sich nicht zuletzt auch moralisch bemisst.

Düsteres Portrait einer gespaltenen Gesellschaft

Der eigentliche Gegner der Howard-Brüder aber ist die Globalisierung im Form eines entfesselten Kapitalismus, im Film repräsentiert durch die Texas Midlands Bank. Sie steht stellvertretende für das rücksichtslose Finanzsystem, das viele Immobilienbesitzer*innen in Knebelverträge zwang und so viele von ihnen überschuldet zurückließ. Deutlich wird dies, wenn ein Zeuge auf die Frage, wie er lang er einen Tatort beobachtet habe, gleichgültig antwortet: „Long enough to watch the bank getting robbed, whose been robbing me for 30 years.“ Im Film verteidigen die Verlierer der Globalisierung ihren traditionellen Lebensstil, der jedoch kaum noch dazu geeignet ist, die Probleme der Gegenwart zu bewältigen. Nicht minder aus der Zeit gefallen wirken Cowboys, die ihre Rinderherde über den Highway treiben und dabei ganz offen am Sinn ihres Tuns zweifeln. Nicht nur, weil es nun die Weißen sind, die ihr Land verlieren – an genau jene Banken, die die Howard-Brüder bestehlen, wie der Native American Parker anmerkt: „All this was my ancestors‘ land, until these folks took it, and now it’s been taken from them. Except it ain’t no army doing it, it’s those sons of bitches right there.“

Hell or High Water ist kein hektischer Action-Thriller, sondern fängt das Geschehen mit einer dramatischen Ruhe ein. Einzig die Eröffnungsszene erinnert subtil an das Suspense eines Alfred Hitchcocks. Im weiteren Verlauf gibt’s kaum schnelle Schnitte, rasante Kamerafahrten oder sinnlose Schießereien. Stattdessen zeigt Hell or High Water intelligente Dialoge und sorgfältig geplante Bildkompositionen, welche die Protagonisten als Teil des staubtrockenen Settings darstellen. Dafür sorgen die fokussierten Nahaufnahmen der gezeichneten und dreckigen Gesichter der Charaktere – musikalisch untermalt durch melancholische Balladen von Waylon Jennings und Townes van Zandt.

Wer wissen möchte, was es für Menschen waren, die Donald Trump gewählt haben: Dieser Neo-Western liefert einen einzigartigen Einblick in das Land der Abgehängten. Zugleich beweist Hell or High Water einmal mehr, dass sich der Western als uramerikanisches Filmgenre ideal an aktuelle politische und gesellschaftliche Themen anpassen kann. Komme was wolle.

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