Die AfD, der IS, Donald Trump – und was sie gemeinsam haben

Mitunter ist der gemeine Politikwissenschaftler einem sonderbaren Spannungsfeld ausgesetzt. Zum einen ist er als politischer Beobachter vornehmlich dem Grundsatz der Objektivität verpflichtet, um politische Phänomene aus einer (parteipolitisch) neutralen Perspektive zu beschreiben. Demnach schätzt er auch neuartige Entwicklungen im Bereich der empirischen Politik, da er so die eigenen Denkansätze überprüfen, ergo Theorien ggfs. verifizieren oder falsifizieren kann. Zum anderen jedoch ist der Wissenschaftler gleichsam selbst ein zoon politikon, ein soziales, politisches Wesen. Als solches besitzt auch er eigene Werte- und Normvorstellungen und somit eine eigene Meinung.

Diesem Trade-Off zwischen selbst oktroyierter Neutralität und einem konträr verlaufenden politischen Empfinden bin ich einmal mehr bei der Alternative für Deutschland (AfD) ausgesetzt. In diesem Beitrag möchte ich mich mit einem Phänomen beschäftigen, welches mit den jüngsten Wahlerfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz in Verbindung steht – der Wählerwanderung oder genauer: der eigentlichen Wahlentscheidung. Anschließend möchte ich in einem zweiten Schritt die Brücke von der AfD zu Donald Trump und dem sogenannten Islamischen Staats (IS) schlagen.

Die AfD hat mit ebendiesen Wahlergebnissen einen ersten Schritt zur Etablierung im bundesdeutschen Parteiensystem getan, nachfolgende Grafik von Infratest dimap gibt mir jedoch immer noch Anlass zum Nachdenken.

Wählerstromanalyse von Infratest dimap
Die Wählerwanderung hin zur AfD | © Infratest dimap

Dieser aggregierten Wählerstromanalyse folgend rekrutierte die AfD bei der letzten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mit 101.000 den größten Anteil ihrer Wähler aus der Lager der Nichtwähler. Lässt man den Anteil von Wählern der der Anderen 1Bei der Landtagswahl 2011 waren dies insbesondere die FREIEN WÄHLER, die NPD und die Piraten, aber auch Kleinst- und Splitterparteien wie die Tierschutzpartei, die SVP, die MLPD, die KPD und die ÖDP. jedoch einmal außer Acht, haben fast ebenso viele ehemalige Wähler der CDU, der Linken, der SPD, der Grünen sowie der FDP zusammen, nämlich 95.000, bei der Landtagswahl AfD gewählt. Dies ist besonders interessant, weil sich die AfD selbst als neue Kraft im Kontrast zum System der Altparteien in der Bundesrepublik inszeniert (vgl. Aussagen von Frauke Petry und Alexander Gauland). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die eigentliche Wahlentscheidung zustande kommt. Wer wählt wen und warum?

Exkurs: Das Wählerverhalten in der Theorie

Zur Beantwortung dieser Fragen liefert die empirische Wahlforschung einige populäre Erklärungsansätze:

  • Dem mikrosoziologischen Ansatz von Paul Lazarsfeld et al.2LAZARSFELD, Paul Felix; BERELSON, Bernard; GAUDET, Hazel (1968): The People’s Choice. How the Voter Makes up his Mind in a Presidential Campaign. Columbia University Press New York. liegt die Annahme zugrunde, dass die soziale Entwicklung eines Individuums primär durch Umweltfaktoren geprägt wird, beispielsweise durch Familie, Freunde und berufliches Umfeld. Demnach stimmen Personen, die regelmäßig mit Menschen interagieren, die eine Präferenz für Partei A entwickelt haben, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für Partei A. Individuen, die alternierenden Einflüssen ausgesetzt sind, neigen der Annahme nach zur Wechselwahl.
  • Die sogenannten Sinus-Milieus: An den mikrosoziologischen Ansatz anknüpfend hat die Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH eine Zielgruppen-Typologie entwickelt von der aus auf das politische Wahlverhalten gefolgert werden kann. Die Milieus selbst basieren dabei auf einer Einordnung nach den Dimensionen Grundorientierung und Soziale Lage:
    Die Sinus‐Milieus® in Deutschland 2015 - Grundorientierung und Soziale Lage
    Die Sinus‐Milieus® in Deutschland 2015 – Grundorientierung und Soziale Lage

    Auf Grundlage dieser Milieus leitet das Sinus-Institut die Wahlentscheidung ab. Der Sinus-Studie für Deutschland aus dem Jahre 2008 (hier in einer illustrierten Auswertung für den Stern) zufolge etwa wählen Vertreter des Milieus der Bürgerlichen Mitte (Sinus B23) zu 40% die Unionsparteien, zu 26% die SPD, zu 15% die Linkspartei, während 8% bei den Grünen und 5% bei der FDP ihr Kreuzchen machen. 6% sind in dieser Frage unentschieden. Zwar haben die Erkenntnisse aus diesen Milieukategorien vor dem Hintergrund einer fortschreitenden gesellschaftlichen Pluralisierung mitunter eminente Auswirkungen auf Wahlkampagnen, wie etwa auf die Kampagne der SPD zur Bundestagswahl 1998 (Stichwort: Neue Mitte). Dennoch ist das Konzept umstritten – insbesondere ist fraglich, ob das relativ undurchsichtige Konzept der fixen Milieustruktur die definitive Wahlentscheidung korrekt abbildet.

  • Dem sozialpsychologischen Ansatz zufolge lässt sich das Wahlverhalten einer Person anhand politisch-institutioneller, sozioökonomischer und psychologischer Bedingungsfaktoren erklären. In der klassischen Variante nach Angus Campbell et al.3CAMPBELL, Angus; CONVERSE Philip E.; MILLER, Warren E., STOKES Donald E. (1980): The American Voter. University of Chicago Press, Chicago. orientiert sich das Wahlverhalten an folgenden drei Faktoren: der langfristigen Parteiidentifikation, sowie einer Streitfragen- und Kandidatenorientierung je nach Situation. Dabei gilt die Parteiidentifikation als relativ stabil, wohingegen die Auswirkung der Faktoren Streitfragen- und Kandidatenorientierung variabel ist. Dadurch kann dieser Ansatz auch volatile Phänomene, wie etwa das der Wechselwähler, hinreichend erklären.

„Der Wähler wählt nicht Personen statt Programme, sondern ‚Programme mit Personen‘ […]. Er wählt nicht den Kandidat anstelle der Partei, sondern den Kandidaten (s)einer Partei.“4STERN, Eva; GRANER, Jürgen (2002): It’s the Candidate, Stupid? Personalisierung der bundesdeutschen Wahlkämpfe. In: BERG, Thomas (Hg.): Moderner Wahlkampf. Blick hinter die Kulissen. VS Verlag, Opladen: S. 150.

  • Der ökonomische Ansatz, auch Rational-Choice-Theory genannt, erklärt das Wahlverhalten aus einer rationalen Perspektive. Gemäß dem ökonomischen Konzept des homo oeconomicus trifft der Wähler eine Kostenabwägung, um seinen persönlichen Nutzen zu maximieren. Dieser Ansatz besitzt eine große Plausibilität. So liefert er eine potenzielle Erklärung für die zunehmende Personalisierung der Wahlentscheidung: die Entscheidung für einen sympathischen Kandidaten ist für den Wähler zeitsparender und damit kostengünstiger als das Durchforsten seitenlanger Wahlprogramme.

Parteien orientieren sich an gesellschaftlichen Konfliktlinien

All diese Theorien besitzen für sich genommen eine gewisse Logik. Dennoch ist die Erklärungskraft in Bezug auf die zuvor beschriebene Wählerstromanalyse sehr simplifizierend und somit nicht vollends zufriedenstellend. Insbesondere die massive Wählerbewegung aus durchweg allen Parteien hin zur AfD können diese Ansätze nicht ausreichend begründen.

Um dieses Phänomen in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können, ist es daher ratsam, die Analyseebene wechseln und das Wahlverhalten der AfD-Wähler aus der Makroperspektive zu betrachten. Dahingehend führt der makrosoziologische Ansatz nach Lipset und Rokkan5LIPSET, Seymour M.; ROKKAN, Stein (1967): Cleavage Structures, Party Systems and Voter Alignments. An Introduction. In LIPSET, Seymour M.; ROKKAN, Stein (Hg.): Party Systems and Voter Alignments. Cross-National Perspectives. New York, Free Press: S. 1-64. das Wahlverhalten auf gesellschaftliche Konfliktlinien, sogenannte cleavages, zurück. Anhand dieser haben sich die Parteiensysteme in nahezu allen westlichen Staaten gebildet. Der Wähler selbst entscheidet sich für die Partei, deren Politikangebot seiner originären Idealvorstellung am nächsten ist. Diese innergesellschaftlichen Konfliktlinien sind langfristig stabil und bilden traditionell vier Interessen- und Wertekonflikte ab:

  • Der Konflikt Arbeit v. Kapital gilt in Deutschland als der klassische Interessenskonflikt des 19. und 20. Jahrhunderts. Die soziale Frage führte letztlich zur Bildung der SPD, der KPD und auch der Linkspartei, welche sich vor allem in ihren Ursprüngen als reine Arbeiterparteien verstanden haben und eine dementsprechende Wirtschafts- und Sozialpolitik befürworteten und mit Einschränkungen6In diesem Zusammenhang wird in der Literatur vielfach von dem Wandel der SPD von einer Arbeiterpartei zu einer Arbeitnehmerpartei gesprochen. heute noch vertreten. Demgegenüber stehen mit der CDU und der FDP zwei bürgerliche Parteien, die traditionell eher arbeitgeberfreundliche Positionen proklamieren.
  • Schon etwas älter ist der Konflikt Kirche v. Staat. Er trat beispielsweise in der Diskussion um die Säkularisierung und dem Kulturkampf im Deutschen Reich der 1870er Jahre zutage. Vor allem in der Weimarer Republik und auch in der heutigen Zeit zeigte sich diese Konfliktlinie an den Einstellungen der Parteien zur Deutungshoheit in der Bildungspolitik: während sich etwa die katholisch geprägte Zentrumspartei und die christlichen Unionsparteien für religiös gebundene Konfessionsschulen aussprachen, bevorzugten SPD, KPD und FDP staatliche und religiös unabhängige Bildungseinrichtungen. Die unmittelbare Bindung des Konflikts Staat-Kirche hat jedoch stark abgenommen.
  • Die Ursprünge der Konfliktlinie Stadt v. Land liegen in der Zeit der Industrialisierung. Die Hauptthemen dieses Konflikts bestehen in der Differenzierung von Stadt- und Landbevölkerung und deren unterschiedlichen Versorgungsleistungen und Besteuerungsmodellen. Aktuell tritt diese Konfliktlinie bei dem Phänomen der Landflucht, q. e. der Bevölkerungsbewegung vom Land in die Stadt, hervor. In der Literatur wird zudem diskutiert, inwieweit ideologisch-kulturelle Faktoren wie etwa das auf dem Land durchaus ausgeprägte Traditionsbewusstsein diesen Konflikt beeinflussen7MIELKE, Gerd (2001): Gesellschaftliche Konflikte und ihre Repräsentation im deutschen Parteiensystem – Anmerkungen zum Cleavage-Modell von Lipset und Rokkan. In: EITH, Ulrich; MIELKE, Gerd (Hg.): Gesellschaftliche Konflikte und Parteiensysteme. Länder- und Regionalstudien, Wiesbaden, Westdeutscher Verlag:  S. 91.. So wählt die Landbevölkerung in Bayern gemeinhin eher CSU, wohingegen die SPD in den bayerischen Großstädten regelmäßig den Oberbürgermeister stellt.
  • Nachdem sich der klassische Nationalstaat westfälischer Prägung in Europa durchgesetzt hat, bildete sich in der Folge der Konflikt Zentrum v. Peripherie heraus. Er beschreibt eine Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern einer zentralistischen Staatsorganisation und autonomen, regionalen Unabhängigkeitsbewegungen. Noch marginal ist der Konflikt im Bestreben der Bayernpartei für ein unabhängiges Bayern oder deutlicher im resoluten Repräsentationsanspruch der CSU und dem Separatismus der Scottish National Party (SNP) erkennbar.

Neue Konfliktlinien in der Gesellschaft?

Ob die traditionellen Konfliktlinien noch heute eine hinreichende Aussagekraft besitzen, ist in der Forschung umstritten. Vielfach wird argumentiert, dass sich die Wähler gerade in westlichen Staaten nicht mehr im selben Ausmaß wie früher mit politischen Parteien identifizieren und somit auch die Gültigkeit gesellschaftlicher Konfliktlinien marginalisiert wurde. So sind die klassischen Konfliktlinien im aktuellen politischen Diskurs oftmals nur noch abgeschwächt erkennbar. Die Wissenschaft reagiert auf diese Kritik mit modifizierten Ansätzen, wie etwa von Beyme mit seiner Typologie der zehn gesellschaftlichen Grundkonflikte8VON BEYME, Klaus (1984): Parteien in westlichen Demokratien, München, Piper:  S. 36..

Mit der Entstehung der grün-alternativen Parteien Mitte der 1980er Jahre kam in der Parteienforschung zudem die These auf, dass sich mit einem postulierten Wertewandel in Form einer Verschiebung von materialistischen hin zu postmaterialistischen Werten ein neuer value cleavage gebildet hat. Laut Inglehart hat der gesellschaftliche Wunsch nach materiellen Werten, wie etwa ökonomischer und physischer Sicherheit, an Bedeutung verloren, während das Streben nach individueller Selbstverwirklichung, Lebensqualität und Gruppenzugehörigkeit wichtiger geworden ist9INGLEHART, Roland (1989): Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt, Frankfurt a. M./New York, Campus Verlag: S. 19..

Der zweite value cleavage: Liberal v. Autoritär

Meines Erachtens sind die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien, die Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump und das Entstehen eines religiös-autoritären de-facto-Regimes in Syrien und dem Irak Indikatoren für die Herausbildung der neuen Konfliktlinie Liberal v. Autoritär. Dieser zweite value cleavage verläuft zwischen den liberal-permissiven und autoritär-konservativen Einstellungen einer Gesellschaft und ist zumindest seit der Französischen Revolution in europäischen Gesellschaften nachweisbar10Große Teile des damaligen Bürgertums des Deutschen Reichs schmähten die aus der Französischen Revolution hervorgegangenen Ideen und Werte der liberalen Demokratie als fremd, welsch und damit undeutsch und betrachteten die Sozialdemokratie als „Reichsfeinde“ (vgl. Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie)..

Als liberal-demokratisches System werden in diesem Zusammenhang insbesondere Rechtsstaatlichkeit (Freiheit, Grundrechte- und Minderheitenschutz, Gleichheit vor dem Gesetz, Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle), der Souveränitätsbezug von Entscheidungen im Mehrebenensystem sowie das Bekenntnis zu freiem Markt und Wettbewerb verstanden. Dem gegenüber steht ein autoritäres Politikverständnis, welches sich vor allem durch eine Fundamentalkritik am „verweichlichten“ Parlamentarismus und der pluralistischen Meinungs- und Interessenvielfalt auszeichnen. Zugleich nutzen Vertreter autoritärer Politikkonzepte die Krise des Nationalstaats aus, um eine Restauration völkischer, nationaler und chauvinistischer Ideen zu propagieren, verbunden mit der populistischen Behauptung, den „einen, wahren Volkswillen“11MÜLLER, Jan-Werner (2016): Was ist Populismus. Ein Essay, Berlin, Suhrkamp Verlag. zu vertreten. Die autoritären Tendenzen in Russland, Polen, der Türkei und in vielen anderen Parteiensystemen Europas zeigen, dass es sich bei diesem Konflikt nicht um ein singuläres Phänomen handelt. Im Gegenteil weisen rechtspopulistische Parteien und Wählerverbände in der westlichen Welt, wie etwa die AfD, Donald Trump aber auch Organisationen wie der sogenannte Islamische Staat ganz ähnliche Merkmale auf:

  • Die Abgrenzung gegenüber den „sozialdemokratisierten Altparteien“, ihre Agitation gegen eine angeblich vorherrschende political correctness und die offensive Infragestellung liberaldemokratischer Instrumente wie Meinungsvielfalt und der Gleichstellung gesellschaftlicher Minderheiten, bilden den zentralen Kern der Programmatik der AfD und üben eine massive Anziehungskraft auf rechtsaffine Bevölkerungsteile und Protestwähler aus. Diese betrachten die bundesdeutsche Demokratie als ein verschworenes Elitenprojekt, in dem sich das korrupte, unmoralische Politestablishment nicht für die Belange der einfachen und angeblich integren Bevölkerung interessiert. Die Infragestellung der liberalen Demokratie geht dabei einher mit einer Rückbesinnung auf nationalkonservative Ideen und Rufen nach einer homogenen Gesellschaft und autoritären Alternativen.
  • Mit der Wahlkampagne Make America great again möchte der exzentrische Immobilientycoon Donald Trump konservative Wähler in den Vereinigten Staaten begeistern und die USA zu alter Stärke führen. Dazu stilisiert sich als autoritäre Führungsperson, die mit dem korrupten Politestablishment im liberalen Washington aufräumt. Sprachliche Angriffe auf Minderheiten, Andersdenkende und Migranten sind dabei ebenso kalkulierter Bestandteil der Strategie wie eine kompromisslose Linie in außenpolitischen Fragen.
  • Neben der Konfliktlinie Kirche v. Staat lässt sich der sogenannte Islamische Staat auch mit diesem neuen value cleavage beschreiben. Ein großer Bestandteil der islamistischen Propaganda ist die Reaktion auf den liberalen Werteverfall des Westens, insbesondere den der USA. Die Anhänger des sogenannten IS, oftmals aus dem Westen selbst stammend, betrachten diesen als ein dekadentes Gesellschaftssystem und propagieren ein religiös-autoritäre Führerschaft.

Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: die Führung der AfD hat die Konfliktlinie Liberal v. Autoritär im Parteienwettbewerb erkannt und nimmt bewusst eine autoritär-konservative Position, um Wähler aller Parteien anzusprechen. Dabei gelingt es ihr, nicht nur Protestwähler anzusprechen, die mit dem Kurs der etablierten Parteien unzufrieden sind. Gleichzeitig erzeugt sie durch das sog. framing, also durch die Selektion und Hervorhebung konservativer und antiliberaler Themen und Attribute, ein neuartiges Klima im politischen Diskurs, das auch attraktiv für die Wähler anderer Parteien zu sein scheint. In jedem Falle wird es spannend sein, wie die seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland liberal-geprägten Parteien auf die Herausforderung ihrer gesellschaftlichen Deutungshoheit reagieren. Der politische Beobachter ist dabei jedoch weiterhin einem Zwiespalt ausgeliefert.

Referenzen

Referenzen
1 Bei der Landtagswahl 2011 waren dies insbesondere die FREIEN WÄHLER, die NPD und die Piraten, aber auch Kleinst- und Splitterparteien wie die Tierschutzpartei, die SVP, die MLPD, die KPD und die ÖDP.
2 LAZARSFELD, Paul Felix; BERELSON, Bernard; GAUDET, Hazel (1968): The People’s Choice. How the Voter Makes up his Mind in a Presidential Campaign. Columbia University Press New York.
3 CAMPBELL, Angus; CONVERSE Philip E.; MILLER, Warren E., STOKES Donald E. (1980): The American Voter. University of Chicago Press, Chicago.
4 STERN, Eva; GRANER, Jürgen (2002): It’s the Candidate, Stupid? Personalisierung der bundesdeutschen Wahlkämpfe. In: BERG, Thomas (Hg.): Moderner Wahlkampf. Blick hinter die Kulissen. VS Verlag, Opladen: S. 150.
5 LIPSET, Seymour M.; ROKKAN, Stein (1967): Cleavage Structures, Party Systems and Voter Alignments. An Introduction. In LIPSET, Seymour M.; ROKKAN, Stein (Hg.): Party Systems and Voter Alignments. Cross-National Perspectives. New York, Free Press: S. 1-64.
6 In diesem Zusammenhang wird in der Literatur vielfach von dem Wandel der SPD von einer Arbeiterpartei zu einer Arbeitnehmerpartei gesprochen.
7 MIELKE, Gerd (2001): Gesellschaftliche Konflikte und ihre Repräsentation im deutschen Parteiensystem – Anmerkungen zum Cleavage-Modell von Lipset und Rokkan. In: EITH, Ulrich; MIELKE, Gerd (Hg.): Gesellschaftliche Konflikte und Parteiensysteme. Länder- und Regionalstudien, Wiesbaden, Westdeutscher Verlag:  S. 91.
8 VON BEYME, Klaus (1984): Parteien in westlichen Demokratien, München, Piper:  S. 36.
9 INGLEHART, Roland (1989): Kultureller Umbruch. Wertewandel in der westlichen Welt, Frankfurt a. M./New York, Campus Verlag: S. 19.
10 Große Teile des damaligen Bürgertums des Deutschen Reichs schmähten die aus der Französischen Revolution hervorgegangenen Ideen und Werte der liberalen Demokratie als fremd, welsch und damit undeutsch und betrachteten die Sozialdemokratie als „Reichsfeinde“ (vgl. Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie).
11 MÜLLER, Jan-Werner (2016): Was ist Populismus. Ein Essay, Berlin, Suhrkamp Verlag.

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